Zukunft der Arbeit

Cybersecurity

Gesellschaftliche Entwicklungen und neue Technologien führen zu veränderten Berufsbildern und neuen Anforderungen. KI hält Einzug in unterschiedliche Arbeitsbereiche,Begriffe wie «digitale Achtsamkeit» haben die Arbeitswelt erreicht. Arbeitgeber:innen sowie Arbeitnehmer:innen sind gefordert, sich mit den Potenzialen und Risiken dieser Entwicklungen auseinanderzusetzen und entsprechende Rahmenbedingungen für einen gesunden, sicheren und erfolgreichen Arbeitsalltag zu schaffen.

Der DigitalBarometer 2024 liefert im vorliegenden Kapitel wichtige Erkenntnisse zur Frage, in welchen Arbeitsfeldern die Schweizer Bevölkerung den Einsatz von KI als problematisch wahrnimmt und in welchen als Chance. Darüber hinaus wurde untersucht, inwiefern generative KI im beruflichen Kontext selbst genutzt wird oder nicht – und weshalb. Zum Schluss gehen wir einem Ergebnis der letztjährigen Umfrage auf den Grund: Der DigitalBarometer 2023 zeigte, dass sich fast die Hälfte aller Befragten (46%) wünscht, im Arbeitsalltag häufiger offline zu sein (digital unerreichbar, mehr analoge Kontakte). In der diesjährigen Umfrage wollten wir deshalb wissen, inwiefern sich die Menschen bewusst sind, dass die Fähigkeit, die Balance zwischen analog und digital zu halten, einen Einfluss auf die eigene Gesundheit bzw. das eigene Wohlbefinden hat.

Einsatz von KI: Grösste Skepsis in Medien- und Unterhaltungsbranche

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) wird von der Mehrheit der Bevölkerung in verschiedenen Arbeitsfeldern positiv gesehen. Besonders im Energiesektor wird grosses Potenzial erkannt

Wahrgenommene Chancen (pink) und Gefahren (schwarz) von KI in spezifischen Branchenanwendungen

Jedoch gibt es auch Bereiche, in denen die Anwendung von KI auf Skepsis stösst. Vor allem in der Medien- und Unterhaltungsbranche wird der Einsatz von KI von 63% der Befragten als eher oder sehr problematisch wahrgenommen. Dieses Ergebnis spiegelt vermutlich unterschiedliche Sorgen der Menschen wider. Zum einen kann KI dazu verwendet werden, manipulierte oder falsche Informationen zu verbreiten. Dass dies als Risiko wahrgenommen wird, zeigte sich im Kapitel 5 «Digitale Meinungsbildung». Zum anderen bestehen möglicherweise Sorgen hinsichtlich der zunehmenden Automatisierung unterschiedlicher Aufgaben (z.B. Inhaltsgenerierung). 

Bereits der DigitalBarometer 2023 zeigte eine starke Ambivalenz der Befragten gegenüber dem Thema Automatisierung von Arbeitsprozessen (branchenunabhängig): Ein Drittel der Befragten verbindet damit eher oder nur Gefahren, ein Drittel eher oder nur Chancen und ein Drittel ist neutral eingestellt. Mit dem Thema Automatisierung werden einerseits Sorgen hinsichtlich des Verlustes von Arbeitsplätzen (siehe Kapitel 3 «Künstliche Intelligenz» und Kapitel 4 «Digitale Inklusion») und andererseits auch Qualitätsbedenken assoziiert. 

"Im Hinblick auf die Entwicklung von KI sehen wir aktuell grosses Potenzial darin, wenn generative KI-Wissen generieren kann."

Tom Walther, Leiter Daten & Analytik, die Mobiliar

Der DigitalBarometer 2024 zeigt, dass der Einsatz von KI auch in den Bereichen Recht, öffentlicher Sektor und E-Commerce als problematisch wahrgenommen wird. Es bedarf daher einer Auseinandersetzung mit diesen Sorgen, um zu verstehen, wie sich die Arbeitsfelder und damit verbundene Prozesse verändern. Die Befragten zeigen sich insbesondere da besorgt, wo KI einen potenziell grossen Einfluss auf soziale und gesellschaftliche Gefüge hat, während die Chancenwahrnehmungen vor allem in ökologischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten überwiegen. 

Umso wichtiger ist es, dass der Einsatz von KI auch in diesen Bereichen sorgfältig überwacht und wo notwendig reguliert wird, um potenzielle Probleme anzugehen und sicherzustellen, dass KI-Systeme ethisch und verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Generative KI: Der Nutzen überwiegt mögliche Vorbehalte

Der DigitalBarometer 2024 hat erstmals die Gründe für die Nutzung oder Nichtnutzung von generativer KI (z.B. ChatGPT) untersucht und interessante Erkenntnisse gewonnen. 15 bis 20% der Befragten nutzen generative KI, um Inspiration zu erhalten, Antworten auf Fragen zu finden oder Unterstützung beim Schreiben und Redigieren von Texten zu bekommen. Diese Ergebnisse zeigen, dass generative KI-Modelle wie ChatGPT als nützliche Werkzeuge in verschiedenen Bereichen geschätzt werden.

Bedenken hinsichtlich der Qualität der generierten Inhalte, Datenschutzfragen oder ethische Bedenken scheinen im Kontext der eigenen Anwendung wenig im Vordergrund zu stehen. 46% der Befragten gaben an, dass sie generative KI nicht benötigen und nur 11% haben noch nie von generativer KI gehört. Lediglich 17% der Befragten nutzen generative KI nicht, weil sie kein Vertrauen in die Technologie haben. Dies ist ein spannender Befund und steht im Kontrast zur grossen Skepsis, die KI-Technologien generell entgegengebracht wird (s. Kapitel 3 «Künstliche Intelligenz»). Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass bei der individuellen Interaktion mit der Technologie der persönliche Nutzen im Vordergrund steht und die (gefühlte) Kontrolle in den Händen der einzelnen Person liegt. Im Gegensatz dazu kommen bei der breiteren gesellschaftlichen Diskussion rund um KI ethische und vertrauensbasierte Bedenken auf, da sie nicht nur Fragen des Datenschutzes, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit, des Arbeitsplatzverlustes und andere wichtige Aspekte des Gemeinwohls aufwirft.

«Digital Balance»: Bewusstsein im Bildungswesen am höchsten

Eine repräsentative Studie des GDI (2023) zeigt auf, dass 30% der Schweizer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter häufig oder fast immer unter Zeitstress leiden, wobei zwei Drittel angeben, dass der Zeitstress in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. Die zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Freizeit («Work-Life-Blending») gehört zu den wichtigsten Stressfaktoren. Vielen Menschen fällt es schwer, eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Auch die Ergebnisse des DigitalBarometers 2024 zeigen deutlich die wachsenden Herausforderungen für die Bevölkerung im Zuge des digitalen Wandels. Eine beachtliche Mehrheit von 57% fühlt sich unter Druck gesetzt, sich kontinuierlich an diesen Wandel anzupassen. Dies spiegelt die ständig wachsenden Anforderungen wider, welche die Technik an unseren Alltag stellt.

Bewusstsein für «Digital Balance» je nach Branche

Es ist jedoch ermutigend zu sehen, dass die Mehrheit der Befragten, nämlich 58%, die Bedeutung einer ausgewogenen digitalen Nutzung für ihr persönliches Wohlbefinden grundsätzlich erkennt. Eine erfolgreiche digitale Balance, die individuell gestaltet werden kann, wird von vielen als Schlüsselfaktor für ein gesundes Leben in der digitalen Ära angesehen. Besonders bemerkenswert ist, dass das Bewusstsein für die Bedeutung der digitalen Balance im Bildungswesen besonders hoch ist (77%). Mit der zunehmenden Integration digitaler Technologien in Bildungsprozessen wird das Bewusstsein für die Bedeutung einer ausgewogenen Nutzung dieser Technologien verstärkt. Herausforderungen wie Ablenkung durch digitale Geräte oder zu lange Bildschirmzeiten und die Gefahr der digitalen Überlastung werden darüber hinaus besonders im Kontext der Bildung von Kindern und Jugendlichen gesellschaftlich stark thematisiert. Diese verstärkte Diskussion trägt vermutlich dazu bei, dass pädagogische Fachkräfte für die Thematik besonders sensibilisiert sind.

Fazit und Empfehlungen

Die Entwicklung neuer Technologien, insbesondere der künstlichen Intelligenz (KI), hat tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt. Während KI in einigen Branchen, insbesondere im Energiesektor, als Chance betrachtet wird, stösst sie in anderen Branchen, insbesondere im Medien- und Unterhaltungssektor, auf Skepsis. 

Dennoch ist interessanterweise zu beobachten, dass die individuelle Nutzung von generativer KI, wie ChatGPT, wenig Bedenken aufgrund von mangelndem Vertrauen hervorruft. Dies steht im Kontrast zu den allgemeinen Bedenken und Diskussionen in der Gesellschaft über die potenziellen Risiken und Auswirkungen von KI-Technologien. Hier sind insbesondere die Unternehmen gefordert, ihre Mitarbeitenden fortlaufend zu schulen, damit die Potenziale von KI-basierten Anwendungen ausgeschöpft werden können bei gleichzeitigem Bewusstsein für Risiken und Einschränkungen der Technologie.

Eine weitere wichtige Erkenntnis dieses Kapitels ist das wachsende Bewusstsein für eine gesunde Balance zwischen analog und digital, insbesondere im Bildungswesen. Die Fähigkeit, diese Balance zu finden, wird zunehmend als entscheidend für das persönliche Wohlbefinden erkannt. Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen sind gefordert, Rahmenbedingungen für einen gesunden, sicheren und erfolgreichen Arbeitsalltag zu schaffen, die auch zur spezifischen Unternehmenskultur passen. Es bedarf einer Sensibilisierung für das Thema digitale Gesundheit und hilfreicher Strategien zur Stressbewältigung im digitalen Zeitalter.

Expert:innen-Check: Wir haben nachgefragt

Interview mit Tom Walther, Leiter Daten & Analytik, die Mobiliar

Was sind wichtige Grundsätze und hilfreiche Tools für einen vertrauensvollen Einsatz von KI in Unternehmen?

Für grössere Unternehmen ist der Einsatz von KI schon länger relevant. Die Mobiliar beispielsweise setzt KI seit sechs Jahren produktiv ein. Was aber neu ist, ist die erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder auch der Arbeitnehmer:innen, sowie der verbreitete individuelle Einsatz generativer KI, wie ChatGPT. Da generative KI in unterschiedlichen Kontexten von Personen mit unterschiedlichem Vorwissen angewendet wird, ist es umso zentraler, die Mitarbeitenden zu sensibilisieren und zu schulen. Wichtig ist vor allem zu vermitteln, dass Tools wie ChatGPT zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geeignet sind, um Wissen zu generieren. Sie sind trainiert, um menschenähnliche Antworten zu geben und liefern kein qualitätsgesichertes Wissen. Mitarbeitende, die intensiv mit KI arbeiten, insbesondere in Bereichen wie Datenanalyse und -auswertung, werden zudem kontinuierlich in Bezug auf einen ethisch verantwortungsvollen Einsatz von KI geschult. Ebenfalls zentral ist der Blick über den Tellerrand und der Austausch mit «Gleichgesinnten»: Wir haben dazu eine Community aufgebaut, um ein Gefäss zu haben für den regelmässigen Wissensaustausch, um Guidelines abzuleiten oder auch praktische Inputs zu erhalten, beispielsweise rund um das Thema «zielführendes Prompting».

Unsere Umfrage zeigt: Wer ChatGPT nicht nutzt, tut dies selten wegen mangelndem Vertrauen. Diejenigen, die ChatGPT nutzen, nutzen es zu diversen Zwecken (Inspiration, Redigieren von Texten etc.). Wie erleben Sie das im Alltag?

Viele unserer Mitarbeitenden nutzen generative KI (Mobiliar ChatGPT) um Texte zu schreiben, zusammenzufassen, kreative Prozesse anzustossen etc. Das wahrgenommene Potenzial lässt allfällige Berührungsängste schnell schwinden. KI besorgt die Menschen insbesondere da, wo konkrete Jobprofile bedroht sind oder sich stark verändern werden, so beispielsweise Übersetzungsdienste. Hier ist es wichtig, frühzeitig den Dialog zu suchen und bei Bedarf auch Profilanpassungen zu antizipieren. Im Hinblick auf die Entwicklung von KI sehen wir aktuell grosses Potenzial darin, wenn generative KI-Wissen generieren kann. Dies ist aktuell noch nicht gegeben. Ziel wäre es aber, dem Algorithmus zu lehren, wie er qualitätsgesicherte Informationen zusammenstellen kann.

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